Vom Strich zur Schrift: Warum Schreibenlernen mehr ist als Buchstaben üben
«Warum muss ich das überhaupt noch lernen? Ich kann doch schon tippen!», sagt Leo, sieben Jahre alt, als er zum ersten Mal ein liniertes Heft in den Händen hält. Er schaut herunter auf den Bleistift in seiner Hand, als wäre er ein Relikt aus einer anderen Zeit. Und während einige Kinder gleich eifrig zu schreiben beginnen, sitzt Leo da, hält den Stift viel zu verkrampft fest und nach ein paar Minuten tut ihm die Hand weh. Seine Buchstaben sind krumm und sein Frust wächst. Schreiben lernen? Für ihn klingt das wie etwas Altmodisches, das im Alltag der digitalen Welt keinen Platz mehr hat.
Wenn Kinder in die Schule kommen, ist es eines der grossen Abenteuer: Schreiben lernen. Für viele wirkt es selbstverständlich, «das hat doch immer geklappt». Doch im Klassenzimmer und zuhause erleben wir heutzutage oft etwas anderes: Kinder haben motorische Schwierigkeiten, werden nach kurzer Zeit müde oder sind wütend, weil ihre Buchstaben nicht sofort «gelingen».
Eine Frage liegt nahe: Hat Leo recht? Ist es in Zeiten der Tablets und Tastaturen überhaupt noch notwendig, so viel Energie in das Schreibenlernen zu stecken?
Unsere Antwort lautet eindeutig: Ja! Denn Handschrift ist weit mehr als Schönschrift. Sie ist ein Motor für das Denken, Fühlen und Lernen. Und vor allem für Kreativität. Sie ist ein zentraler Baustein für die kognitive Entwicklung.
Warum handschriftliches Schreiben so wichtig ist:
Aktuelle Erkenntnisse zeigen, worin sich Tippen und Schreiben massgeblich unterscheiden:
- Gedächtnis & Konzentration: Handschrift stärkt das Erinnern und fordert die Aufmerksamkeit mehr als Tippen.
- Gehirnaktivität: Schreiben aktiviert mehrere Areale gleichzeitig und fördert Vernetzungen.
- Feinmotorik = Denkmotorik: Wer geschickte Finger hat, lernt auch leichter.
- Emotionale Wirkung: Schreiben ist Ausdruck, Identität und ein Stück Selbstwirksamkeit.
Kinder, die Freude am Schreiben entwickeln, sind oft stolzer, motivierter und ausdauernder. Lehrpersonen erleben, dass Klassen ruhiger und konzentrierter arbeiten, wenn Schreiben mit Ritualen, Bewegung und Leichtigkeit verbunden ist.
Typische Stolpersteine beim Schreibenlernen
Mögliche Hürden beim Schreibenlernen zeigen sich schon innerhalb der ersten Schulwochen.
- Verkrampfte Stifthaltung → Kinder bekommen Schmerzen und sind schnell müde.
- Ungünstige Körperhaltung → Kinder fühlen sich unwohl, die Konzentration sinkt schnell ab.
- Augen-Hand-Koordination schwach → Kinder schreiben unklar und unregelmässig.
- Zu starkes oder schwaches Aufdrücken der Stifte → Kinder sind frustriert, da kein Schreiberfolg sichtbar wird.
- Überforderung durch Linienhefte → Kinder werden von Vorgaben gelähmt.
- Zu wenig Bewegung → Kinder verlieren schnell die Motivation und verkrampfen.
Manche Kinder halten den Stift zu verkrampft, was zu Schmerzen und schneller Ermüdung führt. Eine ungünstige Körperhaltung kann die Konzentration beeinträchtigen und das Schriftbild negativ beeinflussen. Wenn die Augen-Hand-Koordination noch nicht ausgereift ist, entstehen unklare Formen und unregelmässige Buchstaben.
Einige schreiben zu stark und drücken dabei mehrere Seiten durch, andere schreiben so leicht, dass kaum etwas auf dem Papier zu erkennen ist. Viele Lehrpersonen der ersten Klassen wünschen sich, dass die Stifthaltung und Motorik bereits im Kindergarten spielerisch geübt würde. Beispielsweise indem man mit Sand oder mit Wasser an das Schreiben grosser Buchstaben heranführt.
Linienhefte können die Schüler:innen überfordern, wenn die Kinder noch keinen Bezug zu Proportionen und Abständen haben. Hier führen starre Vorgaben schnell zu unnötigem Frust. Auch mangelnde Bewegung im Schulalltag wirkt sich negativ aus: Die Motivation sinkt, der Körper ist unruhig, und es fehlt an Lockerheit.
All diese Faktoren können die Freude am Schreiben massiv beeinträchtigen. Statt eines Gefühls von Können und Selbstwirksamkeit werden Kinder wütend, überfordert und ziehen sich zurück. Für Pädagog:innen und Eltern ist es wichtig, früh aktiv zu werden und den Kindern bereits im Kindergartenalter ganz einfache Übungen für die Motorik und Haltung beizubringen. Und vor allem: Die spielerische Freude am Schreiben zu entdecken!
Warnsignale, auf die Eltern und Lehrpersonen achten können
Diese Signale zu bemerken, bedeutet kein «Versagen» des Kindes, aber sie zeigen:
Es braucht hier gezielte Förderung und Entlastung:
- Das Kind ermüdet schon nach sehr kurzer Zeit beim Schreiben.
- Schmerzen in Hand oder im Arm treten auf.
- Starker Druck hinterlässt Spuren auf mehreren Seiten.
- Buchstaben werden unleserlich oder beginnen immer an verschiedenen Stellen.
- Das Kind zeigt Ablehnung, verweigert oder vermeidet Schreibaufgaben.
Und genau hier können wir ansetzen: Mit unserer Hilfe können Kinder wieder Zutrauen zum Schreiben entwickeln. Für unsere Leser:innen haben wir im Folgenden hilfreiche Übungen aus Praxis und Psychomotorik zusammengestellt. Diese bieten dir sofortige Hilfestellung und sind einfach umsetzbar.
So gelingt das Abenteuer Schreiben lernen
Haltung & Körperbewusstsein
Die Körperhaltung und das Körperbewusstsein bilden die Basis:
- Aufrechte Sitzhaltung üben: Füsse stehen am Boden, Schultern bleiben locker.
- Ganzkörper-Schreiben: Buchstaben mit Armen in der Luft oder auf dem Boden nachmalen.
- Augen-Hand-Koordination trainieren: Ballspiele, Jonglieren, Perlen auffädeln
Rhythmisierung & Schreibfluss
Diese Übungen machen nicht nur Spass – sie bringen auch den «Schreibfluss».
- Schreibroutinen mit Reimen, Sprüchen oder Musik verbinden.
- «Stift ablegen – aufnehmen – einen Kreis malen» → kleine Rituale zur Lockerung.
- Schreibtempo variieren lassen: mal schnell, mal federleicht, mal langsam.
Motivation & Mindset
Damit Kinder verstehen, dass Schreiben lernen wichtig ist.
- Erfolge sichtbar machen: «Diplombuchstaben» auszeichnen oder den schönsten Buchstaben feiern.
- Kleine Schritte: Die Schreibmenge reduzieren, dafür Qualität und Freude hervorheben.
- Kindern erklären: «Schreiben macht dich schlauer» – weil Motorik und Denken verbunden sind.
Differenzierung & Individualisierung
Verschiedene Lernwege zuzulassen, ist beim Schreibenlernen sehr wichtig. Manche Kinder brauchen dafür einfach etwas mehr Zeit als andere.
Je offener wir Lehrpersonen die Arbeitsaufträge formulieren können, desto mehr Freude haben die Kinder beim Schreiben.
- Weisse Blätter für die Kinder, für die Linien zu viel Einschränkung bedeuten.
- Offene Aufträge: Ein Wort, ein Satz oder eine halbe Seite – jedes Kind darf in seinem Tempo schreiben.
- Kleine Gruppen für Kinder mit besonderen Schwierigkeiten bilden → gezielte Förderung.
Bewegung als Schlüssel
Bewegungspausen sind ein zentraler Bestandteil des Lernens. In diesen kleinen Auszeiten schulen wir nicht nur unsere Motorik, sondern regenerieren aktiv Körper und Geist. Empfehlenswert sind besonders einfache Ballspiele für zwischendurch oder Übungen, die den ganzen Körper einmal durchbewegen.
- Regelmässige Bewegungspausen: Armkreisen, «Hu»-Rufe, kurze Tanzübungen.
- Jonglieren und kleine Zaubertricks üben (z. B. Münztricks oder Zaubertricks mit Tüchern oder Boxen)
- Ballspiele jeglicher Art: Im Sitzkreis den Namen eines Kindes rufen und ihm/ihr dann den Ball zuwerfen.
- Integration psychomotorischer Elemente: Übungen für Fingerfertigkeit, Gleichgewicht und Körperspannung.
Die 5 wichtigsten Erkenntnisse für Lehrpersonen und Eltern
- Handschriftliches Schreiben bleibt essenziell und zeitgemäss, da es eine Grundlage für Denken, Lernen und emotionale Entwicklung bildet.
- Psychomotorik ist ein ganzheitlicher Ansatz: Bewegung und Denken sind untrennbar mit dem Schreiben verbunden.
- Rituale, Bewegung und spielerische Zugänge machen den Unterschied.
- Erfolgserlebnisse und eine positive Haltung stärken Motivation und Ausdauer.
- Eltern und Lehrpersonen sind gemeinsam gefordert: mit Geduld, kreativen Übungen und klaren Routinen.
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Fazit: Handschriftliches Schreiben ist wichtiger denn je!
Schreibenlernen ist ein Weg voller kleiner Schritte. Mit etwas Geduld, neuen Ideen und viel Bewegung können Kinder nicht nur Buchstaben formen, sondern auch Selbstvertrauen, Konzentration und Ausdauer entwickeln.
Wenn Lehrpersonen und Eltern dabei zusammenarbeiten, entsteht mehr als nur eine lesbare Handschrift: Es entsteht die Basis für ein starkes Lern- und Lebensfundament.
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Deine Branka
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