Begründen Sie die Note!
Ich bekam folgendes Schreiben von den Eltern eines Schülers in meiner Klasse:
Elias kam heute sehr enttäuscht nach Hause.
Er meinte, er hätte in beiden Fächern Deutsch und Mathematik eine 4-5 im Zeugnis.
Wir als Eltern können beide Noten nicht nachvollziehen und bitten Sie, eine schriftliche Begründung für diese beiden Zeugnisnoten abzugeben.
Zudem möchten wir gerne von Ihnen aufgezeigt bekommen, was Sie alles seit dem letzten Gespräch mit dem Schulpsychologischen Dienst unternommen haben, um Elias in seinen kognitiven Stärken zu fördern. Bei der Abklärung wurde eine starke Begabung festgestellt und Sie wurdet von der Schulpsychologin aufgefordert, ihn zu unterstützen.
Da wir mit Ausnahme der wöchentlichen IF-Lektion durch die Schulische Heilpädagogin, von einer Unterstützung / Förderung noch nie etwas mitbekommen haben, hätten wir auch das gerne schriftlich.
Besten Dank.
Meine Frage:
Bin ich verpflichtet, eine schriftliche Stellungnahme zu machen?
Wie soll ich reagieren, wenn Eltern mir unterstellen, nicht genug Förderung gemacht zu haben?
In Bezug auf die Unterstellung der Eltern, dass du nicht genug Förderung für Elias bereitgestellt hast, ist es wichtig, ruhig und professionell zu bleiben. Es ist verständlich, dass du dich möglicherweise persönlich angegriffen oder unverstanden fühlst, aber versuche, nicht defensiv zu reagieren. Das Ganze zu überschlafen und hier zu reflektieren, ist eine sehr gute Idee. Du könntest die Gelegenheit nutzen, um die Bemühungen und Initiativen, die du unternommen hast, um Elias zu unterstützen, klar zu kommunizieren. Eine Möglichkeit wäre, eine Zusammenfassung der Aktivitäten zu erstellen, die du seit dem letzten Gespräch mit dem Schulpsychologischen Dienst durchgeführt hast, und diese den Eltern zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Option wäre, die Eltern in den Unterricht einzuladen, damit sie Elias im Unterricht erleben können. Ein Coaching-Gespräch mit Elias könnte auch vieles in Bewegung bringen. “Elias, deine Noten sind für dich nicht zufriedenstellend. Das finde ich eine wunderbare Ausgangslage, um im nächsten Semester Dinge anders anzugehen. Was brauchst du von mir? Wie kann ich dich besser unterstützen? Was glaubst du, was brauchst du, um mir zu zeigen, was du drauf hast?” Den Eltern von Elias könntest du mitteilen, dass du dieses Coaching-Gespräch geführt hast/führen wirst und dass es eine Chance ist, im nächsten Semester so richtig durchzustarten. Spreche davon, dass auch du das Potenzial von Elias siehst und gerne mit den Eltern zusammenarbeitest, um es richtig zum Vorschein zu bringen.
Kommentar von Astrid: Die Reaktion der Eltern ist zunächst einmal eine Reaktion direkt nach Erreichen der Nachricht über die Bewertung. Sie haben also umgehend – an dem Tag noch – reagiert und befinden sich – so liest es sich zumindest für mich – in einem dysregulierten Zustand. Der Text spiegelt die Hilflosigkeit, Aufregung und ja, auch Misstrauen (in meinen Augen). Auf keinen Fall würde ich in dieser Situation schriftlich “vorgehen”. Ich würde für zunächst einmal den Austausch mit meiner Schulleitung suchen zwecks Austausch und interner Beratung. Nachdem ich mir selbst Klarheit verschafft habe, würde ich die Eltern zu einem persönlichen Gespräch einladen und mich dafür bedanken, dass sie sich direkt an dich wenden. (Sie hätten sich direkt an andere Stellen wenden können z.B.. Stattdessen konfrontieren sie dich.) In diesem Gespräch (vielleicht mit Schulleitung und/oder Heilpädagogin oder Co-Klassenlehrkraft) könntest du erläutern, wie die Bewertung aktuell zustande kommt, welche Form der Unterstützung und Förderung dir im Klassenkontext möglich ist, also was du bereits machst. Manchmal ist es auch hilfreich, die Eltern als “Experten für ihr eigenes Kind” zu fragen: “Wie/Womit kann ich Ihrem Kind ganz konkret im Klassenkontext helfen?” Es ist ja klar, dass die Kinder in erster Linie ihr eigenes Kind sehen. Es scheint ein Kind zu sein, bei dem eine “besondere Begabung” attestiert wurde. Das ist der Punkt, den die Eltern nicht mit der Bewertung verknüpfen können, weil es sich für sie “nicht richtig” anfühlt. Und ganz ehrlich: Das ist doch auch schwer nachzuvollziehen, wenn man nicht im Schulsystem steckt. Im persönlichen Gespräch könntest du gut aufzeigen, wo du die Stärken und Begabungen siehst. Hierdurch könntest du ihnen verdeutlichen, dass du ihren Sohn siehst und was du an ihm schätzt. Gleichzeitig könntest du aufzeigen, wieso er seine Begabung NOCH nicht gewinnbringend für sich nutzen kann. Ich wünsche dir alles Gute! Herzliche Grüße von Astrid
Zeugnisnoten müssen nicht schriftlich begründet werden. (vgl. §62 Abs. 2 VSV) “Eltern steht kein individuelles Mitwirkungsrecht bei der Notengebung und der Schülerbeurteilung zu. Mitwirkungspflichtige Beschlüsse sind Schullaufbahnentscheide sowie die Anordnung, Änderung oder Aufhebung von sonderpädagogischen Massnahmen und von disziplinarischen Massnahmen, die das Gesetz vorsieht.”
Das ist die rechtliche Seite.
Menschlich gesehen, zeigt so ein Schreiben, dass wenig Vertrauen der Schule gegenüber vorhanden ist.
Ganz wichtig für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern ist, dass sich beide Seiten gemeinsam verantwortlich fühlen. Schuldige suchen, ist keine gute Basis.
Ich würde den Eltern als LP eine Einladung für ein Gespräch senden. Darin würde ich Ihnen Verständnis gegenüber zeigen. Dabei hilft es, gemeinsame Ziele zu betonen, wie z.B. dass es auch der Schule wichtig ist, dass alle Schüler*innen möglichst ihr Potenzial zeigen können und dass es allen Schüler*innen wohl ist und sie gut lernen können.
Im Gespräch würde ich darauf achten, nicht in eine Rechtfertigung zu kommen. Stattdessen würde ich fragen, was sich die Eltern denn vorstellen und wünschen?
“Was ist Ihnen wichtig, im Bezug auf die Förderung ihres Sohnes?”
Darauf würde ich eingehen und aufzeigen, wie daran gearbeitet wurde und was noch geplant ist.
Den Zusammenhang zwischen der kognitiven Leistung und den überfachlichen Kompetenzen aufzeigen, kann den Eltern helfen, die Noten nachvollziehen zu können.
Dabei immer hervorheben, dass dies eine Momentaufnahme ist und gemeinsam abmachen, welche Veränderungen, wie erreicht werden sollen.
Einerseits Mut / Hoffnung machen und andererseits aufzeigen, dass man gemeinsam dran bleibt und die verschiedenen Rollen, unterschiedliche Möglichkeiten bieten.