30 Strategien im Umgang mit ADHS in der Schule: Ein Leitfaden für Eltern und Lehrpersonen

Jedes Schuljahr verspreche ich mir selbst, «Diesmal behalten wir den Überblick» und doch passiert es wieder:
Schon nach der ersten Woche wiederholen wir Anweisungen zum vierten Mal, suchen nach verschwundenen Hausaufgaben und rätseln über mysteriöse Gerüche, die aus dem Rucksack strömen.

Jetzt stell dir vor, all das passiert in Kombination mit ADHS, wo der Fokus mitten im Satz wegspringt, Rucksäcke zu schwarzen Löchern werden und das Energielevel konstant hochgefahren ist. Genau dann wird Schule zur Herausforderung. 

Doch es gibt gute Nachrichten: Mit den richtigen Strategien können wir Kindern mit ADHS den Alltag enorm erleichtern UND gleichzeitig uns Eltern und Lehrpersonen entlasten.

Warum brauchen wir Strategien im Umgang mit ADHS?

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, bei der die Reizverarbeitung und Impulskontrolle im Gehirn verändert sind. Kinder mit ADHS sind weder «faul» noch haben sie «keine Disziplin». ADHS zu haben bedeutet lediglich, dass ihr Gehirn Informationen auf andere Art verarbeitet, filtert und reguliert. Kinder mit ADHS brauchen klare Strukturen, Bewegungspausen, sensorische Unterstützung und positive Verstärkung, um ihr Potenzial entfalten zu können.

Wenn Schule aber nur fordert, ohne auf diese Bedürfnisse einzugehen, fühlen sich Kinder schnell überfordert, frustriert und ziehen sich schliesslich zurück.

Mit gezielten Anpassungen schaffen wir dagegen:

  • mehr Fokus und Aufmerksamkeit,
  • bessere Organisation im Schulalltag,
  • stärkere Selbstkontrolle,
  • gesunde soziale Beziehungen und
  • langfristige Resilienz.

1. Aufmerksamkeit: So bleibt dein Kind bei der Sache

Mit leisen Signalen, visueller Führung und achtsam gesetzten Pausen öffnen wir neue Lernfenster für ADHS-Kinder. Diese Tipps sind wirklich einfach umzusetzen und erfordern nach einer Zeit auch immer weniger Eingriffe von aussen.
Oft habe ich gehört:

«Wenn ich das nur früher gewusst hätte, wäre unser Alltag schon lange so viel leichter… ».

Das hilft euch zuhause:

ADHS Lupe

  • Das Ambiente: Kopfhörer mit «Noise-Cancelling» oder mit «White Noise»
  • Die Umgebung: Sitzplatz in einer ruhigen Ecke oder nahe einer Bezugsperson
  • Der Game-Changer: Anweisungen immer schriftlich und mündlich geben
  • Das Setting: Timer oder visuelle Uhren für Zeitgefühl nutzen
  • Die Visualisierung: Wichtige Informationen farblich markieren

👉 Trigger-Info: Wenn du merkst, dass dein Kind ständig „träumt“ oder die Hälfte der Anweisung vergisst, liegt das nicht an Unwillen – sondern daran, dass Aufmerksamkeit bei ADHS wie ein flatternder Schmetterling ist.

2. Organisation & Zeitmanagement: Das Chaos bändigen

Beim Thema Selbstmanagement und Strukturierung von Aufgaben reichen oft kleine Anpassungen, um eine unglaubliche Wirkung zu erzielen:

  • Einzelarbeit: Hausaufgaben einzeln aufschreiben, nicht in Blöcken
  • Aufteilen: Grosse Aufgaben in mehrere, kleine Schritte zerlegen
  • Routinen: Feste Abläufe für Rucksack- und Pultaufräumen
  • Rituale: Täglicher Check des Aufgabenplaners durch die Lehrperson

 

👉 Trigger-Info: Der überquellende Rucksack, die vergessene Turntasche, die Tränen, wenn eine Abgabe vergessen wurde – all das kann durch klare Strukturen entschärft werden.

3. Bewegung & sensorische Regulation: Der Körper lernt mit!

Der Weg ins Gehirn führt über den Körper: Die Option, sich über Bewegung regulieren zu können, öffnen die Tür für leichteres Lernen.

Was euch unterstützt:

  • Flexible Sitzmöglichkeiten: Wackelhocker, Sitzbälle, Stehpulte
  • Bewegungs-Pausen: alle 20-30 Minuten
  • Bewegungsaufträge: Kurze Erledigungen im Klassenzimmer
  • Blitzableiter: Fidget-Tools, Knetmasse, Spielschleim (mit klaren Regeln)

 

👉 Trigger-Info: Wenn ein Kind ständig aufsteht, zappelt oder trommelt, will es nicht stören, aber der Körper sucht dringend nach akuten Regulationsmöglichkeiten.

4. Impulskontrolle & Selbststeuerung: Die Ruhe im Sturm

Da es mit ADHS enorm schwierig ist, Impulse zu stopen, empfehlen wir auf achtsame Bahnung und beruhigtes Feedback zu setzen.

Das bedeutet konkret:

  • Bestärkung wirkt: Positives Verhalten sofort loben
  • Raus damit: «Blurt-out»-Buch für spontane Gedanken anlegen 
  • Privates Feedback: Ruhige, private Rückmeldung statt öffentlicher Kritik
  • Viel Anerkennung: Warten lernen und sich melden üben

 

👉 Trigger-Info: ADHS-Kinder sind nicht automatisch «frech», wenn sie reinrufen oder ausbrechen – ihr Gehirn hat Mühe, den Impuls zu stoppen.

5. Langfristig Resilienz aufbauen: Eine Stärke fürs Leben

Resilienz ist die Fähigkeit, herausfordernde Ereignisse, schwierige Lebenssituationen oder Rückschläge ohne dauerhafte negative Folgen zu überstehen. Resilienz ist nicht angeboren, sondern variabel trainierbar.

So kannst du unterstützen:

  • Selbstvertrauen stützen: Stärken bewusst benennen 
  • Fortschritte sichtbar machen: Zum Beispiel erreichte Wochenziele hervorheben
  • Führungschancen bieten: Helferrollen verteilen, z. B. Botengänge beauftragen
  • Austausch mit Eltern: kleine Erfolge rückmelden

 

👉 Trigger-Info: Viele Kinder mit ADHS hören täglich mehr Kritik als Lob. Wer dagegen ihre Stärken sichtbar macht, baut Selbstvertrauen und innere Stärke auf.

6. Soziale Beziehungen: Wie wir miteinander wachsen können

Kinder mit ADHS übersehen leichter soziale Signale (Reihenfolge, Mimik, Ironie), reagieren impulsiv und sind oft empfindlicher bei Zurückweisung. Gespräche kippen dann schneller oder werden zu Monologen über Lieblingsthemen.

Das kann helfen:

  • Bei Gruppenarbeiten: Feste Peer-Buddys einteilen
  • Regelwerk: Klare soziale Spielregeln üben
  • Rollenspiele: bei Konfliktsituationen einsetzen
  • Das Gesamtbild: Mobbing im Blick behalten

 

👉 Trigger-Info: Kinder mit ADHS fühlen sich oft «anders». Strukturierte, soziale Lernangebote schützen sie vor Isolation.

7. Eltern & Schule: Zusammen ein starkes Team

Da feste Strukturen und wohlwollende Begleitung so wichtig sind, profitieren Kinder mit ADHS am meisten, wenn Eltern und Lehrpersonen eng abgestimmt handeln. Das bedeutet gleiche Signale, gleiche Rituale und eine gemeinsame Sprache schaffen Sicherheit, stärken die Selbstwirksamkeit und ermöglichen Fortschritte.

So könnt ihr vorgehen:

  • Austausch: Wöchentliche Fortschrittsberichte teilen
  • Notizen machen: Schnelle Kommunikation per Logbuch
  • Transparenz: Erfolge und Herausforderungen mitteilen
  • Ziele setzen: Und Anpassungen regelmässig überprüfen

 

👉 Trigger-Info: ADHS-Begleitung funktioniert besser im Team – wenn Eltern und Schule zusammenarbeiten, fühlt sich das Kind getragen statt allein.

8. Selbstregulation der Lehrperson: Der Schlüssel zu einem stabilen Lernklima

Gerade im Umgang mit ADHS ist es entscheidend, dass eine Lehrperson ihre eigenen Emotionen gut regulieren kann. Nur so bleibt sie klar, präsent undhandlungsfähig, auch in herausfordernden Situationen.

Diese innere Stabilität wirkt sich direkt auf die Kinder aus und schafft ein Klima voller Sicherheit und Orientierung.

Wer selbst ruhig bleibt, kann klarer kommunizieren, deeskalieren und angemessen begleiten – auch wenn es im Klassenzimmer gerade turbulent wird. Denn die Kinder spüren ganz genau, ob eine Lehrperson emotional verfügbar und präsent ist.

Deshalb entwickeln wir bei Pädagogik+ aktuell passgenaue Inhalte, die Lehrpersonen dabei unterstützen, ihre eigene Selbstregulation im Schulalltag zu stärken. Einfach, wirksam und praxisnah. Mehr dazu gibt es im nächsten Newsletter.

Klicke hier, wenn du dich anmelden möchtest.

Fazit: Kleine Ideen mit grosser Wirkung

Kinder mit ADHS brauchen keine Sonderbehandlung, sondern faire Bedingungen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Mit den richtigen Strategien schaffen wir es, dass sie ihre Stärken zeigen können – statt ständig an ihren Schwächen gemessen zu werden. 

Probiere einige der genannten Strategien gleich aus. Schon kleine Veränderungen können den Alltag deutlich entspannen.

Für dein Kind, für die Klasse und für dich selbst.

Deine Branka

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