Feedback-Methoden und Lerngespräche: Wie du Schüler:innen in ihrem Wachstum nachhaltig stärkst
Lernen geht weit über das bloße Pauken von Wissen hinaus. Es geht darum, eigene Ziele zu setzen, Herausforderungen zu meistern und Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Gerade Lerngespräche und gezieltes Feedback können Schüler: innen nicht nur beim Erreichen ihrer Lernziele unterstützen, sondern ihnen auch helfen, ihre Selbstwirksamkeit und ihr Durchhaltevermögen zu entwickeln. In diesem Artikel präsentieren wir dir die Grundlagen für die Anwendung wirkungsvoller Feedback-Methoden aus einer neuen Perspektive.
Nach dem Ansatz von Dylan Wiliam bieten klare Lernabsichten, differenziertes Feedback und die vermehrte Einbindung von Peer-Lernstrategien eine wertvolle Grundlage, um nachhaltiges und eigenverantwortliches Lernen zu fördern. Im Folgenden wollen wir die zentralen sechs Aspekte näher beleuchten und mit Feedback-Methoden beispielhaft illustrieren.
Wenn du mehr über effektive Lerngespräche wissen möchtest, empfehlen wir dir, ergänzend auch unseren ersten Artikel zu diesem Thema zu lesen.
1. Ziele realistisch setzen: Warum lernen wir das?
Eine der ersten und zentralen Fragen, die Schüler:innen motiviert und auf den Weg bringt, lautet: „Warum lernen wir das eigentlich?“ Wenn Lernziele transparent formuliert und realistisch gesetzt werden, verstehen Schüler:innen den Sinn hinter dem Unterricht und können sich besser mit den Inhalten identifizieren.
Um den individuellen Lernprozess aktiv zu gestalten, helfen konkrete Fragestellungen:
- Zielreflexion: Ermuntere die Schüler:innen, an ihrem Standpunkt festzuhalten und sich zu fragen: „Wo bin ich gerade, wohin möchte ich, und was brauche ich, um dorthin zu kommen?“ Diese Art der Zielreflexion ist ein wertvoller Moment, in dem die Schülerinnen und Schüler ihre persönlichen Lernziele formulieren und Wege identifizieren können, die sie dorthin führen.
- Zielscheibe als Methode: Ein visuelles Tool, das bei der Zielsetzung hilft, ist die Zielscheibe. Stelle eine Zielscheibe mit Ringen dar, auf denen die Schüler:innen eintragen, wo sie sich in Bezug auf ihre Ziele befinden: im inneren Kreis für „Ich fühle mich sicher und vorbereitet“, in den äußeren Kreisen für „Ich bin unsicher und brauche mehr Unterstützung“. Diese Methode erlaubt eine einfache, visuelle Selbsteinschätzung und kann auch den Verlauf der Fortschritte abbilden.
Und auch unser Bild vom Piloten zeigt, dass es essenziell ist das eigene Ziel genau zu kennen, auch wenn wir nicht immer den direktesten Weg dorthin nehmen müssen. Individuelle Lernwege sind vielfältig und gepflastert von wertvollen Erfahrungen, neuen Möglichkeiten und Chancen. Solange das Ziel klar und realistisch ist, kommt es nicht darauf an wie schnell oder vermeintlich effizient es erreicht wird.
2. Lernnachweise sichern: Blitzlicht und Zielscheibe für regelmäßige Orientierung
Ein regelmäßiger Abgleich der eigenen Lernziele hilft Schüler:innen, ihren Standpunkt zu reflektieren und Anpassungen vorzunehmen. Diese Reflexion ist besonders wertvoll, um Unsicherheiten aufzudecken und einzelne Schüler:innen gezielt zu fördern.
- Blitzlicht: Während Blitzlichtrunden tolle Einblicke in den Lernstand geben, reichen sie oft nicht aus, um tiefere Erkenntnisse über das Lernen zu gewinnen. Sie dienen eher als Momentaufnahme und können durch die Zielscheibe ergänzt werden, die eine intensivere Reflexion ermöglicht.
- Zielscheibe: Integriere die Zielscheibe als Methode, bei der Schüler:innen regelmäßig ihre Einschätzung aktualisieren. So erhalten sie ein Gefühl dafür, wie nah sie ihrem Ziel kommen, und können gegebenenfalls neue Strategien entwickeln, um ihr Lernziel zu erreichen.
3. Feedbackgespräche zwischen Lehrkraft und Schüler:innen: Beziehung und Mindset stärken
In Feedbackgesprächen steht die positive Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler:innen im Zentrum. Neben dem inhaltlichen Feedback ist es entscheidend, das Mindset der Schüler:innen zu stärken und sie in ihrem Selbstbewusstsein zu unterstützen. Diese Gespräche sind nicht nur ein wertvolles Tool für den Lernfortschritt, sondern auch für das soziale und emotionale Wachstum der Schüler und Schülerinnen. Ein ideales Feedbackgepräch bringt die Schüler:innen zum Nachdenken.
- Vorbild sein und Mindset fördern: Sei selbst ein Beispiel für Growth Mindset und reflektiere dies in den Gesprächen. Zeige Schüler:innen, dass du an sie und ihre Fähigkeiten glaubst. Frage nicht nur nach dem Ergebnis, sondern nach den Schritten und Anstrengungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, um die Lernbereitschaft und das Durchhaltevermögen zu stärken.
- Beziehungsgestaltung: Baue Vertrauen auf, indem du konstruktives und ermutigendes Feedback gibst. Schüler:innen sollen das Gefühl haben, dass sie Fehler machen dürfen und dass diese zum Lernprozess dazugehören. Vermeide also Bewertungen, die abschrecken, und lege den Fokus auf Potenziale.
4. Peer-Feedback: Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung fördern
Peer-Feedback fördert die Fähigkeit der Schüler:innen, sich gegenseitig zu unterstützen, und stärkt ihr Verantwortungsbewusstsein. Es zeigt ihnen, dass Lernen nicht isoliert stattfindet, sondern als kooperativer Prozess.
- Kooperative Methoden nutzen: Viele Schüler:innen lernen effektiver, wenn sie in Teams arbeiten. Fördere Peer-Feedback in kleinen Gruppen, indem du gezielte Anweisungen gibst, wie Feedback konstruktiv und hilfreich formuliert werden kann. Gruppenarbeiten und gemeinsames Reflektieren bieten Gelegenheiten, Verantwortung zu übernehmen und voneinander zu lernen.
- Beispiel für Peer-Feedback: Nutze das „Würfel-Feedback“, bei dem jede Seite des Würfels eine Frage oder eine Anregung für Feedback enthält, wie „Was hat dir besonders gefallen?“ oder „Was könnte verbessert werden?“ Diese Methode bringt Vielfalt in den Feedbackprozess und hilft Schüler:innen, verschiedene Perspektiven einzunehmen.
5. Selbstbeurteilung: Mit sich selbst ins Gespräch kommen und Durchhaltevermögen entwickeln
Die Selbstbeurteilung ist ein wertvoller Prozess, bei dem Schüler:innen sich mit sich selbst auseinandersetzen und eigene Lernfortschritte reflektieren. Sie lernen, ihre Anstrengungen zu würdigen und Ziele nicht zu schnell aufzugeben – eine wichtige Fähigkeit, um Durchhaltevermögen und Selbstwirksamkeit zu entwickeln.
- Theorie zur Selbstwirksamkeit: Der Psychologe Albert Bandura beschreibt Selbstwirksamkeit als den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, in bestimmten Situationen handlungsfähig zu sein. Wenn Schüler:innen ihre eigenen Fortschritte reflektieren und sich Ziele setzen, die sie schrittweise erreichen, baut sich ihr Vertrauen in die eigene Lernkompetenz auf. Dies führt langfristig zu einem stärkeren Durchhaltevermögen und einer positiveren Einstellung gegenüber Herausforderungen.
- Erfolgstagebuch: Ermutige die Schüler:innen dazu, regelmäßig zu reflektieren, was sie bereits geschafft haben und wo sie noch Verbesserungspotenzial sehen. Ein „Erfolgs-Tagebuch“ kann dabei unterstützen: Schüler:innen notieren jede Woche, was ihnen gut gelungen ist und welche Ziele sie sich für die kommende Woche setzen. Diese Reflexion verstärkt das Gefühl, dass sie ihren Lernprozess aktiv steuern können.
Die ‘WOOP’-Methode: Dieser von Prof. Dr. Gabriele Oettingen entwickelte Ansatz, dient dazu, Ziele effektiv zu erreichen. Die Methode basiert auf vier Schritten:
- Wish (Wunsch) – Formuliere dein Ziel klar und konkret. Es sollte so realistisch wie möglich sein, aber auch eine Herausforderung darstellen.
- Outcome (Ergebnis) – Visualisiere das ideale Ergebnis, das du erreichen würdest, wenn dein Wunsch in Erfüllung geht.
- Obstacle (Hindernis) – Überlege dir die inneren und äußeren Hindernisse, die dir im Weg stehen könnten. Sei ehrlich zu dir selbst und benenne sie konkret.
- Plan (Plan) – Entwickle einen konkreten Plan, wie du auf die Hindernisse reagieren kannst. Formuliere dafür „Wenn-Dann“-Pläne.
Die WHOOP-Methode kann an dieser Stelle auch als Feedback-Methode zur Selbsteinschätzung dienen. Wenn die Schüler:innen lernen, diese Methode effektiv für sich selbst anzuwenden, erweitern sie ihre überfachliche Kompetenz deutlich. So können sie nahezu jedes Ziel erreichen. Ihre Mitschüler:innen können in Gruppen (Peer-Feedback) dabei helfen, Herausforderungen zu erkennen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind.
6. Eigenverantwortung und Growth Mindset durch Lerngespräche fördern
Eigenverantwortliches Lernen und ein starkes Growth Mindset sind wichtige Komponenten für den schulischen und persönlichen Erfolg der Schüler:innen. Diese Fähigkeiten zu entwickeln, stärkt nicht nur ihre Leistung, sondern auch ihre Resilienz und Motivation.
- Zielgespräche: Nutze Zielgespräche, bei denen die Schüler:innen regelmäßig reflektieren, wie sie sich ihrem persönlichen Ziel nähern und was sie noch ändern können. Stelle Fragen, die das Growth Mindset fördern, wie: „Was könntest du das nächste Mal anders machen, um noch erfolgreicher zu sein?“ Solche Gespräche regen zur Selbstreflexion an und motivieren die Schüler:innen, eigenverantwortlich an ihren Herausforderungen zu arbeiten.
- Zusammenarbeit stärken: Mache deutlich, dass wir nicht alles alleine machen müssen und dass Lernen auch durch die Unterstützung von Mitschüler:innen erleichtert wird. Ermutige die Schüler:innen , sich gegenseitig zu helfen und voneinander zu lernen. Dies fördert nicht nur die fachliche Kompetenz, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl und die soziale Verantwortung.
Zusammenfassung:
Lerngespräche und Feedback-Methoden sind essenziell, um Schüler:innen auf ihrem Lernweg zu begleiten und ihnen das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu vermitteln. Indem wir Lernziele klären, kontinuierliche Lernnachweise sichern und konstruktive Feedbackgespräche führen, können wir die intrinsische Motivation und Eigenverantwortung der Schüler:innen stärken.
Peer-Feedback und Selbstbeurteilung helfen dabei, eine Kultur des gegenseitigen Lernens und Wachstums zu fördern, die Schüler:innen nicht nur in der Schule, sondern auch darüber hinaus bereichert.