Keine Selbststeuerung

In meiner 1. Klasse habe ich einen Jungen A, welcher eine sehr liebenswürdige Seite hat. Deshalb ist A. auch recht beliebt bei den anderen Kindern. Doch was uns alle sehr herausfordert ist, dass A. sich kaum selbst steuern kann. A. wird sehr schnell sehr wütend. Dann macht er respektlose Bemerkungen gegenüber Erwachsenen und er streckt uns Lehrpersonen dann auch die Zunge raus. Auf die anderen Kinder geht er los. Da er kräftig ist, müssen wir die Kinder vor seinen Ausbrüchen schützen.

In der Pause hatte A. Streit mit einem Mitschüler N. auf der grossen Drehscheibe. Dieser hat ihn beim Spielen mit dem Arm ins Gesicht getroffen. Wütend rannte A. nach der Pause ins Schulzimmer und warf den Pult von N. um.
Nach einem klärenden Gespräch zwischen den beiden, war A. bereit, wieder aufzuräumen. Er arbeitet anschliessend im Gruppenraum. Das tut er oft von sich aus, weil er lieber in Ruhe arbeitet und er weiss, dass er da besser vorwärts kommt.

Am Ende des Morgens bemerkte N., dass sein gekleisterter Ballon, der im Gruppenraum zum Trocknen stand, kaputt ist. Dann erst entdecken wir, dass alle anderen Ballone ebenfalls eingedrückt waren.
Jetzt ist die Vermutung, dass A. das gemacht hat, als er alleine im Gruppenraum war.

Wie sollen wir damit umgehen? Das ist nur eine Situation von vielen, welche wir immer wieder erleben. Er möchte guten Kontakt mit den anderen Kindern, erlebt aber laufend Streitereien.
Er kommt seit ein paar Wochen 15 Minuten später in die Schule, damit es nicht in der Garderobe bereits losgeht.

Die Eltern sind sehr einsichtig und unterstützen, wo sie können.
Bei A. wurde ADHS diagnostiziert. Die Eltern stehen jetzt vor der Frage, ob sie ihn medikamentös unterstützen lassen wollen. Vor allem die Mutter möchte ihrem Kind nicht regelmässig Medikamente geben.

Doch wo sind die Grenzen der Integration? Wo müssen auch die anderen Kinder geschützt werden?

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Bettina Scheck
8 days ago

Schön, dass A. trotz seines Verhaltens recht beliebt ist bei seinen Klassenkamerad*innen. Bestimmt habt ihr als Lehrpersonen da euren Teil dazu beigetragen. Indem wir Erwachsene das Verhalten klar von der Person trennen, leben wir Wichtiges vor.
Klare Grenzen zu setzen und Abmachungen einzuhalten, ist für die ganze Gruppe wichtig. Wenn es nicht gelingt, zeigen wir auf, dass dieses Verhalten nicht akzeptiert wird und dass das Kind gleichzeitig dennoch zur Gruppe dazugehört. Gemeinsam zu versuchen, es dabei zu unterstützen, sich anders zu verhalten, stärkt die Klasse.
Wenn andere zu Schaden kommen, ist es für beide Seiten wichtig, dass eine Wiedergutmachung gefunden wird. Nachher können gemeinsam Möglichkeiten gefunden werden, wie ähnliche Situationen in Zukunft anders gesteuert werden könnten.
Dass Eltern (zuerst) Widerstände haben, eine medikamentöse Unterstützung in Betracht zu ziehen, ist sehr verständlich. Wenn eine klare ADHS-Diagnose vorliegt und der Leidensdruck vom Kind, den Eltern und den Lehrpersonen gross ist, würde ich als Lehrpersonen empfehlen, Informationen bei erfahrenen Fachpersonen (Kinder- und Jugendpsychiater, Schulische HeilpädagogInnen, Schulsozialarbeit) einzuholen und diese Möglichkeit sorgfältig zu prüfen und allenfalls auszuprobieren.
Sie hilft nicht allen Kindern / Jugendlichen, doch für viele wird sie erst zur Möglichkeit, um gute soziale Erfahrungen machen zu können. Das ist eine wichtige Voraussetzung fürs Wohlbefinden und fürs erfolgreiche Lernen.
Viel Zuversicht und Geduld wünsche ich allen Beteiligten.