Wenn Kinder zu viel gamen
Als Schulische Heilpädagogin mache ich mit einem Erstklässler eine Standortbestimmung zum mathematischen Lernen.
Die Idee dieses Tests wäre, dass er die Aufgaben allein löst. Er steht auf, wird müde und ist kaum zu motivieren, sich mit den Aufgaben zu befassen.
Wenn ich ihn ganz eng begleite und er das Anschauungsmaterial zählen kann, kommt er schliesslich zur Lösung.
Ich frage ihn, ob er müde sei und nicht gut geschlafen hätte.
Er sagt, er wäre jetzt am liebsten zu Hause im Bett. Dort würde er dann gamen.
Immer häufiger bekomme ich solche Antworten bereits von Kindern aus der 1. Klasse. Wenn ich nachfrage, was sie den genau gamen, sind das Spiele, die nicht für ihr Alter bestimmt sind.
Wie sollen wir Lehrpersonen auf solche Situationen reagieren?
Wie weit geht die Verantwortung der Schule für die freie Zeit der Kinder?
Reicht es, wenn solchen Familien aufgezeigt wird, dass durch zu wenig Schlaf, zu wenig Bewegung und viel Gamen keine guten Lernvoraussetzungen geschaffen werden?
Oder braucht es mehr? Wenn ja, was?
Dein Anliegen berührt einen wichtigen Aspekt unserer pädagogischen Arbeit, der oft im Hintergrund bleibt, aber dennoch massgeblich den Lernerfolg unserer Schüler beeinflusst: der Umgang mit Medien, insbesondere das Gamen. Es ist uns allen klar, dass wir als Lehrkräfte nicht nur für den unmittelbaren Unterricht verantwortlich sind, sondern auch dafür, Bedingungen zu schaffen, die optimales Lernen ermöglichen.
Die Situation, die du mit deinem Erstklässler beschreibst, zeigt deutlich, wie sich unzureichender Schlaf, mangelnde Bewegung und exzessives Gamen negativ auf die Konzentration und die Lernbereitschaft auswirken können. Dass ein Erstklässler lieber zu Hause im Bett gamen möchte, anstatt sich mit schulischen Aufgaben zu beschäftigen, ist ein klares Signal, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Unsere Verantwortung als Schule erstreckt sich darauf, Eltern und Erziehungsberechtigte über die Auswirkungen von Medienkonsum auf die schulische Leistung und das allgemeine Wohlbefinden ihrer Kinder aufzuklären. Dabei geht es nicht nur darum, die Eltern zu informieren, sondern sie aktiv in den Prozess einzubinden und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, wie sie das Medienverhalten ihrer Kinder sinnvoll begleiten können.
Ein erster Schritt könnte ein Telefongespräch oder ein persönliches Gespräch beim nächsten Standortgespräch sein. In diesen Gesprächen sollten wir offen ansprechen, was wir beobachten und welche Auswirkungen wir im schulischen Kontext feststellen. Es ist wichtig, dies nicht als Vorwurf, sondern als gemeinsame Sorge um das Wohl des Kindes zu kommunizieren.
Darüber hinaus könnte die Schule einen Workshop für Eltern organisieren. In diesem Workshop könnten Experten über die Bedeutung von ausreichend Schlaf, gesunder Ernährung und regelmässiger Bewegung sprechen und wie diese Faktoren die Lernvoraussetzungen verbessern. Ein besonderer Schwerpunkt sollte dabei auf dem Thema Gamen liegen: Welche Spiele sind altersgerecht? Wie viel Zeit ist in Ordnung? Wie können Eltern die Spielzeiten sinnvoll regulieren und alternative Freizeitaktivitäten fördern?
Wir sollten den Eltern auch zeigen, dass Kinder beim Gamen schnelle Erfolge und Belohnungen erleben, die sie im schulischen Kontext nicht in derselben Weise bekommen. Dies kann erklären, warum Kinder oft lieber gamen als lernen. Eltern müssen verstehen, dass sie eine aktive Rolle dabei spielen, ihre Kinder zu motivieren und zu unterstützen, indem sie positive Lernerfahrungen schaffen und den Kindern zeigen, dass Lernen ebenfalls Freude und Erfolgserlebnisse bringen kann.
Eine weitere Massnahme könnte eine Unterrichtseinheit sein, um mit den Kindern über ihren Medienkonsum zu sprechen und ihnen alternative Aktivitäten näherzubringen. Projekte, die Bewegung, kreatives Spiel und soziale Interaktionen fördern, könnten dabei helfen, den Kindern andere Wege zu zeigen, Spass zu haben und Erfolgserlebnisse zu sammeln.
Letztlich ist es eine Gemeinschaftsaufgabe, die uns alle betrifft – Lehrer, Eltern und die Kinder selbst. Indem wir zusammenarbeiten und offen über diese Herausforderungen sprechen, können wir dazu beitragen, eine gesunde Balance zu finden, die den Kindern hilft, sowohl in der Schule als auch zu Hause erfolgreich und glücklich zu sein.