Wenn die Angst laut wird – und wie wir sie leiser stellen können

Lass uns gemeinsam einen neuen Blick auf den Umgang mit Angst werfen – für dich und die Kinder, die du begleitest.
Wir alle haben diese Sehnsucht: Die Angst soll weg. Ausgelöscht sein. Ausgeschaltet wie ein Lichtschalter. On oder Off. Ruhe im Kopf, Ruhe im Herzen.
Aber das ist eine Illusion. Angst ist kein Schalter – sie ist ein Regler.
Wie bei einem alten Radio. Manchmal dreht sich der Lautstärkeknopf wie von selbst auf Anschlag – plötzlich ist die Angst da, schrill, fordernd, übermächtig. Unser Ziel darf nicht sein, diesen Regler auf Null zu drehen. Das ist weder möglich noch gesund. Angst ist eine Schutzfunktion. Sie will uns nicht zerstören – sie will uns bewahren.
Was wir aber lernen können, ist: den Regler ein Stück zurückzudrehen. Kleine Schritte. Kleine Handgriffe. Und genau das verändert alles. In diesem Artikel erfährst du was es braucht, um Angst auf diese Weise neu zu denken und effektive Strategien anzuwenden, die dir zu mehr innerer Ruhe verhelfen.
Der Weg zu mehr innerer Ruhe: 3 wirksame Schritte
1. Den Fokus umlenken: Lösungen statt Stress
Wenn die Angst da ist, wollen wir oft nur eins: Weg damit. Doch unser Gehirn reagiert reflexartig mit Grübeln, Sorgen, Katastrophendenken. Es denkt: Was könnte alles schiefgehen?
Das Problem: In diesem Zustand funktioniert unser Gehirn nicht mehr gut. Die Amygdala – unser innerer Alarm – übernimmt. Die ausführenden Funktionen wie Planung, rationales Denken oder Kreativität werden blockiert. Der Schutzmodus ist aktiviert.
Was hilft: Statt im Gedankenkarussell zu verharren, versuche mehr Selbstmitgefühl zu üben. Nenne die Angst beim Namen und versuche bewusst die Perspektive zu wechseln.
Was ist gerade in meiner Macht? Was kann ich jetzt konkret tun?
2. Den Kreislauf unterbrechen: Bewegung bringt Energie zurück
Angst hält uns oft in einer Starre. Wir frieren ein – körperlich wie mental. Deshalb ist der zweite Schritt, den ich dir vorstellen möchte so kraftvoll: Bewegung.
Bewegung hilft, Angst abzubauen, weil sie das Nervensystem reguliert und überschüssige Stresshormone abbaut. Durch körperliche Aktivität signalisieren wir dem Gehirn: „Die Gefahr ist vorbei.“ Gleichzeitig werden Glückshormone wie Endorphine freigesetzt, die für Entspannung und ein besseres Körpergefühl sorgen. Bewegung bringt uns zurück in den Moment – raus aus dem Kopf, rein in den Körper.
Ein Sprung. Ein schneller Spaziergang. Schütteln. Tanzen.
Alles, was dem Körper signalisiert: Ich bin aktiv. Ich kann mich bewegen. Ich bin nicht gefangen.
“Deine Angst ist wie ein Gewitter in deinem Kopf. Aber du hast einen Blitzableiter – deine Beine, deine Arme. Du kannst sie bewegen, und der Sturm wird leiser.”
3. Den Geist neu ausrichten: Retrain statt Resign
Unser Gehirn ist brilliant – aber manchmal wandelt es auf dem falschen Pfad. Es will helfen, aber es übertreibt. Es erzählt uns Geschichten, die sich wahr anfühlen, aber es oft nicht sind.
Das liegt daran, dass unser Gehirn darauf programmiert ist, Muster zu erkennen und Gefahren zu vermeiden – selbst wenn es dabei über das Ziel hinausschiesst und uns mit übertriebenen oder verzerrten Gedanken überflutet. Diese Tendenz stammt aus unserer evolutionären Vergangenheit: Damals war es überlebenswichtig, Gefahren früh zu erkennen – lieber ein falscher Alarm als ein echter Säbelzahntiger. Unser Gehirn ist also nicht auf Wahrheit gepolt, sondern auf Schutz.
Ist das, was ich gerade denke, wirklich wahr? Oder ist es nur meine Angst, die spricht?
Stell dir vor, du sitzt im Kino deines Kopfes. Die Angst spielt den Horrorfilm. Du darfst aufstehen, rausgehen oder den Film wechseln. Du siehst, es gibt Wege hinaus – zum Beispiel mit Reframing.
Coaching-Fragen zur Reframing-Hilfe:
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Was ist das Schlimmste, das passieren könnte? (Auf einer Skala von 1 bis 10)
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Wie wahrscheinlich ist es, dass das passiert? (Auf einer Skala von 1 bis 10)
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Das letzte Mal, als etwas Schlimmes passierte – wie schlimm war es wirklich im Rückblick? (Meist: 2 bis 3 von 10)
Diese Fragen bringen uns zurück in die Realität. Wahrheit statt Wahnsinn.
Eltern & Lehrpersonen: Was könnt ihr tun?
Kinder und Jugendliche brauchen Erwachsene, die die Angst nicht mitlöschen wollen, sondern mit dem Regler umgehen können.
Was hilft Kindern?
Gespräche:
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“Stell dir deine Angst wie ein Tier vor – welches Tier ist es heute?” Welches Tier kann helfen?
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“Deine Gedanken sind wie Wolken – welche ziehen vorbei, welche bleiben hängen?”
Notfallpläne machen:
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“Was könntest du tun, wenn das wirklich passiert?”
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“Wen kannst du anrufen? Was hilft dir dann?”
→ Das gibt Sicherheit und Handlungsspielraum.
Lösungsorientierte Fragen stellen:
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“Was könntest du heute probieren, das dir hilft, dich ein bisschen sicherer zu fühlen?”
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“Welche Gedanken machen Mut statt Angst?”
Realität checken:
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“Ist es wahr – oder ist es deine Angst, die da spricht?”
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“Gibt es noch eine andere Wahrheit?”
(Kobra Kai lässt grüssen: Es gibt drei Wahrheiten – deine, meine und die echte.)
Zum Schluss: Die Wahrheit, die du weiterträgst
Wir dürfen wählen: Welche Gedanken tragen wir weiter? Welche Geschichten glauben wir – und welche hinterfragen wir liebevoll? Wir müssen nicht alles glauben, was wir denken.
Angst gehört dazu. Aber sie darf nicht diktieren, wohin wir gehen.
Mit einem klaren Kopf, einem mutigen Herzen und einem gut eingestellten Regler finden wir unseren Weg – Schritt für Schritt.