Neurodivergenz verstehen: Lernen durch Bewegung und Begleitung

In diesem Artikel stellen wir das Thema Neurodivergenz in den Fokus und zeigen, wie Lehrpersonen durch individuelle Begleitung einen guten Umgang mit den verschiedenen Bedürfnissen der Kinder finden können. Besonders der Aspekt ‘Lernen durch Bewegung’ soll zeigen, wie die Bedürfnisse neurodivergenter Kinder aussehen können und wie Lehrpersonen es schaffen, ihnen gerecht zu werden.

Wie Lehrpersonen Kinder mit besonderen Bedürfnissen besser unterstützen können.

Die innere Ruhe und Gelassenheit der Lehrperson sind die Basis dafür, dass neurodivergente Kinder in der Schule erfolgreich lernen und wachsen können. Wenn wir selbst emotional stabil bleiben, können wir die Kinder in ihren Herausforderungen besser begleiten und eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich entfalten können.

Tim ist ein Drittklässler mit ADHS, der sich kaum länger als ein paar Minuten auf eine Aufgabe konzentrieren kann, bevor er unruhig wird. Statt still an seinem Platz zu sitzen, steht er häufig auf, läuft durch das Klassenzimmer oder beginnt, mit Gegenständen zu spielen. Wird sein Verhalten von der Lehrerin korrigiert und er gebeten, sich wieder auf seinen Platz zu setzen, kommt es regelmässig vor, dass er explodiert.

Kinder, die mit Mathematik, Lesen oder Schreiben Probleme haben, erfahren viel Geduld und Hilfe von Lehrpersonen. Wir wissen, dass diese Kinder noch lernen müssen und unterstützen sie gern dabei.

Jedoch sieht das bei Kindern, die neurodivergent sind und einen hohen Bewegungsdrang haben, wie zum Beispiel Kinder mit ADHS, oft anders aus. Hier kommt es vor, dass das gezeigte Verhalten von Lehrpersonen abgewertet, problematisiert oder ignoriert wird.

Diese Kinder brauchen ebenfalls Zeit, um wichtige Fähigkeiten zu entwickeln, sind aber auf intensive Begleitung und viel Geduld angewiesen. Dafür ist es wichtig, dass sie eine sehr gute Beziehung zu ihrer Lehrperson haben und der Unterricht an ihre Bedürfnisse angepasst wird. Doch genau hier entsteht oft das Problem: Werden die Bedürfnisse des Kindes ignoriert oder als unwichtig empfunden, entwickeln sich Verhaltensauffälligkeiten, die das gesamte Klassengefüge belasten.

Es ist wichtig zu verinnerlichen, dass die Kinder das ‘störende’ Verhalten nicht absichtlich zeigen, sondern nur von ihren Gefühlen überwältigt sind.

Was bedeutet Neurodiversität?

Neurodiversität bezeichnet die natürliche Vielfalt neurologischer Unterschiede, wie Autismus, ADHS, Dyslexie oder Hochsensibilität und betont, dass diese Variationen normale und wertvolle Teile der menschlichen Vielfalt sind.

Eine der grössten Herausforderungen im Alltag von Lehrpersonen ist es, den Bedürfnissen neurodivergenter Kinder gerecht zu werden. Diese Kinder benötigen oft andere Ansätze, um erfolgreich zu lernen. 

Besondere Bedürfnisse erkennen und verstehen

Tim und Emma sitzen nebeneinander in ihrer Klasse. Tim ist immer in Bewegung – wippt mit den Beinen, steht häufig auf und kann sich nicht lange konzentrieren, während Emma meist ruhig und fokussiert arbeitet. Sie mag es, sich hinzusetzen und ihre Aufgaben Schritt für Schritt zu erledigen. Tim wird immer häufiger wütend, hört auf sich bei Aufgaben anzustrengen, und macht im Unterricht, was er will – manchmal wirft er mit Spielzeugen andere Kinder ab oder versucht sie am Verlassen des Klassenzimmers zu hindern, was ihnen Angst macht.

Für dich als Lehrperson können solche Situationen sehr belastend sein und sie führen auch dazu, dass du das Verhalten deiner Schüler und Schülerinnen bewusst oder unbewusst verurteilst. Wenn Tim dann wieder einmal nicht zuhört, sammelt sich Ärger und Enttäuschung an, was Tim wiederum wahrnehmen kann.

Es ist mehr als verständlich, wenn du als Lehrkraft diese Gefühle spürst und sich die Gefühle aufstauen. Wichtig ist, dass du nicht in dieser Situation verharrst sondern reflektierst, wo das Problem liegt. Denn nur wenn du deine Vorurteile kennst, kannst du an ihnen arbeiten. Wenn das nicht passiert, wird Tim sich wahrscheinlich immer mehr zurückziehen und ein Teufelskreis beginnt.

Natürlich gibt es für diese Situationen gute Lösungen und bist mit dieser Herausforderung nicht allein.

Im Pädagogik+ Mitgliederbereich unterstützen wir uns gegenseitig, wenn Schwierigkeiten in der Klasse auftreten. Wir tauchen tief in die einzelnen Fälle ein und erhalten wichtige Impulse von Experten, die regelmässig zu aktuellen Themen Vorträge halten.


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Lernen durch Bewegung – die Energie umleiten

Im Fall von Tim wäre eine sinnvolle Strategie, damit zu beginnen, seinen Schulalltag mit Bewegungsphasen zu füllen. Zusätzlich kann es helfen, die Aufgabenstellungen kleinschrittiger und noch gezielter zu formulieren. Achte darauf, ihm klare Strukturen in der Klasse zu bieten – das sorgt für ein stärkeres Gefühl der Sicherheit bei Tim, da es ihm Orientierung ermöglicht.

Du kannst ausserdem ein tägliches Ritual zu Unterrichtsbeginn einführen, was den Start des Unterrichts für Tim klar markiert. Einige Varianten dieser Rituale stellen wir dir im Mitgliederbereich vor. Bedenke dabei aber immer, dass jedes Kind individuelle Bedürfnisse hat, die du kennen solltest.

Was du tun kannst um den Bewegungsdrang umzuleiten: 

  • Das Kind auf Botengänge zum Drucker schicken
  • Das Kind wichtige Utensilien aus anderen Klassen abholen lassen (z. B. Laptop)
  • Anderen Lehrpersonen durch das Kind Nachrichten überbringen 

Du willst mehr über hilfreiche Möglichkeiten und Wege im Umgang mit Neurodivergenz erfahren? Finde noch heute heraus, was du noch für deine Schülerinnen und Schüler tun kannst!

Schau dir im Mitgliederbereich von Pädagogik+ unbedingt den gesamten Vortrag von Verena und Eddy von Wolf und Bär an und erhalte lösungsorientierte Vorschläge für deine Klasse. Dort findest du noch viele weitere Informationen und Ressourcen zu diesem wichtigen Thema.

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Eine Atmosphäre des Vertrauens: Warum die Beziehung zur Lehrperson entscheidend ist

Die starke emotionale Verbindung zwischen Lehrperson und Kind ist, insbesondere bei neurodivergenten Kindern, der Schlüssel zum Lernerfolg. Nur durch vertrauensvolle Kommunikation kann auf die besonderen Bedürfnisse des Kindes eingegangen werden. Doch diese Verbindung leidet, wenn die Lehrperson genervt reagiert oder unbewusst Vorurteile gegenüber dem Kind hat.

Kinder mit ADHS sind unglaublich feinfühlig und nehmen sofort wahr, ob sie akzeptiert werden oder nicht. Wenn sie spüren, dass die Lehrperson unterbewusst ablehnend reagiert, kann dies zu einem Rückzug des Kindes oder zu vermehrten Herausforderungen im Verhalten führen.

Probleme in der Klasse entstehen oft aus Überforderung. Die Lehrperson erwartet, dass das Kind “funktioniert”, und wenn dies nicht passiert, schleichen sich schnell Frustration und ablehnende Reaktionen ein. Doch genau hier benötigt die Lehrperson innere Stärke, um nicht in diesen Kreislauf zu geraten.

Unser Achtsamkeitskurs bietet Lehrpersonen wertvolle Übungen, um selbst gelassen zu bleiben, ihre eigene Resilienz zu stärken und gleichzeitig die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern zu vertiefen. Der Kurs vermittelt zahlreiche Übungen dazu, wie man Achtsamkeit im Klassenzimmer einsetzen kann, um eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen.

Im Kurs zeigen wir dir hilfreiche Achtsamkeitsübungen und Strategien zur Impulskontrolle, wie das berühmte “Ich kenne das Spiel”-Beispiel. Lass die Kinder auch unbedingt aktiv an Entscheidungsprozessen teilnehmen, damit sie sich gehört fühlen. 

Was kann ich jetzt akut ändern, um ein Kind mit besonderen Bedürfnissen zu unterstützen?
Ich habe einige Kinder mit sehr hohem Bewegungsdrang in der Klasse.

Rhythmisierung und Lernen durch Bewegung im Unterricht:
5 Praktische Ansätze

  • Lernen durch Bewegung:
    Kinder mit ADHS brauchen viel Bewegung. Du kannst Bewegungsdrang nutzen, indem du Bewegungsspiele in den Unterricht integrierst, wie Laufdiktate oder Mathe-Aufgaben, die mit Bewegungen verknüpft sind.
  • Botengänge:
    Lass Kinder, die viel Bewegung brauchen, gezielt kleine Aufgaben erledigen, wie Botengänge innerhalb der Schule. So bleibst du flexibel und gibst ihnen eine Möglichkeit, ihren Bewegungsdrang zu kanalisieren.
  • Rituale und Strukturen:
    Feste Strukturen und Rituale geben Kindern Orientierung. Übe ein festes Startsignal für den Unterricht oder eine tägliche Morgenroutine ein. Daran können sich die Kinder orientieren und ihre Selbstregulation üben.
  • Klare Anweisungen und Visualisierung:
    Kurze und prägnante Schritt-für-Schritt-Anleitungen ergänzt mit visuellen Hilfsmitteln entlasten das Arbeitsgedächtnis neurodivergenter Kinder und geben ihnen mehr Sicherheit.

Nach Konfliktsituationen: Reflektieren und verstehen, was passiert ist

Wenn du mit einem Kind Situationen erlebst, die dich und deine gesamte Klasse herausfordern, ist es wichtig, danach gemeinsam mit dem Kind durchzusprechen, was vorgefallen ist. Diese Reflexionsgespräche sind essenziell, um langfristig Verhaltensänderungen zu bewirken.

Lea Schnyder, die uns im ADHS-Live-Webinar wertvolle Einblicke gegeben hat, betont, dass Kinder mit ADHS oft mitten im Moment von ihren Gefühlen überwältigt sind. Eine direkte Auseinandersetzung mit ihrem Verhalten in dieser Situation ist kaum möglich. 

Doch wenn das Kind sich beruhigt hat, kann gemeinsam über die Situation gesprochen werden und es ist möglich, Strategien für das nächste Mal zu entwickeln.

Lehrpersonen, Schüler und Eltern müssen Geduld und Mitgefühl üben

Wie alle anderen Kinder auch, müssen Kinder mit Bewegungsdrang lernen, ihre Impulse zu regulieren. Das dauert meist länger, doch durch Geduld, Verständnis und Beziehungspflege schaffen wir Räume, in denen diese Kinder wachsen können. Die Akzeptanz und das Verständnis für Neurodivergenz sind nicht nur für die betroffenen Kinder wichtig, sondern bereichern auch den Schulalltag insgesamt.

Jedes Kind, auch das mit starkem Bewegungsdrang, verdient es, gesehen und unterstützt zu werden – nicht anders als Kinder mit anderen Herausforderungen im schulischen Lernen. Daher ist es ungemein wichtig, die Empathie von Lehrpersonen für die besonderen Bedürfnisse zu steigern und dafür zu sensibilisieren.

Hol dir Unterstützung!

Auch wir Lehrpersonen dürfen mit den Situationen in unseren Klassen überfordert sein. Es wird immer mal Situationen geben, in denen wir nicht mehr weiter wissen und wir müssen nicht immer die Antwort auf alle Fragen haben.

Fühlst du dich auch manchmal überfordert?

Dann schau dir unbedingt unsere Live-Sessions mit Eddy und Verena zum Buch Wolf und Bär an, wo wir über die unterschiedlichen Charaktere im Klassenzimmer sprechen, und die wertvollen Impulse aus dem ADHS-Webinar mit Lea Schnyder. Beide bieten nicht nur hilfreiche Theorie, sondern auch praktische Tipps für den Schulalltag.

Nutze den kostenfreien Schnuppermonat im Pädagogik+ Mitgliederbereich, um dir alles in Ruhe anzusehen und den ersten Schritt in eine neue Richtung zu wagen – für dich und deine Schüler*innen!

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